Kennst du das auch?
Warum betreiben wir Sport? Warum
bringen wir unseren Körper, unseren ganzen Organismus an den Rand
des körperlichen Zusammenbruchs? Wir lehnen an der Wand und sehen,
wie unsere Lunge japsend vor uns auf dem Boden liegt und geradezu
fleht wieder mit Luft gefüllt zu werden. Wir sacken mit
Wackelpudding in den Knien zu Boden, weil unsere Beine sich trotzig
weigern, noch einen einzigen Schritt mehr zu machen. Unser Puls
gleicht dem Flügelschlag eines Kolibris und das Blut hämmert durch
unsere Venen mit der Gewalt von Thors Hammer. Wir lassen es zu, dass
unsere Muskeln sich gegen uns stellen und uns Schmerzen bereiten, die
in mitteralterlichen Folterkellern geboren sein könnten. Wir
erkennen alle Anzeichen von totaler Selbstaufgabe unseres Körpers
und erfüllen ihm dennoch nicht den sehnlichen Wunsch, sich einfach
hinzulegen und zu sterben. Wir wischen uns Schweiß, der wie
geschmolzenes Eis im Frühjahr über uns Gesicht strömt, aus unseren
Augen und kleine Lichtpunkte springen wie winzige Flöhe vor unseren
Augen. Und dennoch!
Wir legen noch einen Sprint drauf, wir
legen noch eine Wiederholung nach und gehen jedes Training den
epischen Kampf zwischen Wille und Körper, aufs Neue ein. Warum tun
wir sowas?
Weil wir es geil finden!
Natürlich wissen wir, dass es
notwendig ist an seiner Fitness zu arbeiten um in die erste
Mannschaft zu kommen, um die schlechte Technik zu kompensieren, vor
Fans spielen zu dürfen, um gesagt zu bekommen wie gut man ist, um
Geld zu verdienen. Um einen athletischen Körper zu haben und sich
in der Disco sagen zu können: ich kann höher springen als der und
der, ich habe einen dickeren Bizeps als der und der, ich habe einen
flacheren Bauch als die und die oder ich spiel bei Bayern München
und IHR alle nicht!
Aber der eigentliche Grund ist:
Weil wir es geil finden.
Wir finden es geil, wenn nach einer
harten Trainingseinheit die Beine schwer wie Blei sind, so dass man
denkt, die Stufen zur eigenen Wohnung gleichen dem Aufstieg zu
Akropolis. Aber im selben Moment fühlen sich die gleichen Beine an
wie mit Flügeln bestückt, ähnlich dem Götterboten Hermes, der
nicht auf hartem Boden gelaufen, sondern geschwebt ist.
Wir finden es geil, nachdem wir
gefühlte Tausend Liter Wasser durch unsere Poren gedrückt haben uns
in einem mentalen Zustand zu befinden, der weit über Zufriedenheit
hinaus geht. Der tief ins Meer der Gleichnahmslosigkeit gegenüber
allen Problemen des Alltags eingetaucht scheint. Es ist geil, eine so
körperliche Erschöpfung zu fühlen, die so universell ist, dass sie
aus der Begrenzung des Körpers ausbricht und unseren Geist angenehm
lähmt, die unseren Strudel an nutzlosen und bedrückenden Gedanken
für ein paar Stunden stoppt.
Wir finden es geil, nachdem wir jede
kleinste Energiereserve zwischen Gewichten, Seilzügen und
Hantelstangen verloren habe, wie sich unsere Muskeln anfühlen, wie
sich unser ganzer Körper anfühlt. Vollgempumpt mit Watte, volumnös
und dennoch zu nichts mehr zu gebrauchen, vollgepumpt mit der
Aussicht auf höllische Schmerzen bei jedem Lachen, das uns am
nächsten Tag entfahren wird.
Wir genießen den Augenblick in dem wir
wieder gesiegt haben. Gesiegt haben, über unseren Coach, der sich
wieder einmal stolz zeigen muss, weil wir seine Konditionseinheit
durchgestanden haben, gesiegt über das Gewicht, das noch vor wenigen
Wochen wie Arthus Schwert, unbezwingbar und schwer wie die ganze
Welt, vor uns lag. Gesiegt über unseren Gegner, der ebenso zu jenem
Schlachtfeld gekommen war um alles zu geben und uns nicht besiegen
konnte. Aber vor allem genießen wir es uns selbst wieder besiegt zu
haben, wieder den Kampf aufgenommen zu haben mit den Dämonen der
Angst, den Zweifeln, den vermeintlichen körperlichen Grenzen, mit
den Stimmen im Kopf, die behaupten, dass es nicht geht, dass wir
nicht durchhalten werden, dass wir verlieren werden.
Wenn wir unter der Dusche stehen und
unseren Körper als Einheit wahrnehmen, als glorreiches Werkzeug, mit
dem man Bewegung zur Kunst erklärt und mit dem man Handwerk in
Perfektion erzeugt, wenn wir jede Faser dieses Körpers spüren und
wieder auferstehen wie ein Phönix aus dem Staub des Verglühens,
gemischt mit absoluter Erschöpfung, momentanem Glück, innerem
Frieden, pulsierendem Stolz, körperlichen Schmerzen, festgezurrter
Gegenwart und mit einem kleinen Hauch von Angst im Hinblick auf die
nächste Trainingseinheit, stellen wir fest, dass wir genau das
brauchen!
Also bitte:
Stör mich nicht, wenn ich mich gerade
begeistere an meiner Erschöpfung.
Laber mich nicht zu, in diesem
perfekten Moment.
Nerv mich nicht, wenn ich das Leben
intensiv spüre.
NICHT JETZT!